Migration hat es schon immer gegeben. Sie prägt unsere Gesellschaft bereits seit Jahrhunderten und betrifft alle Menschen unabhängig ihrer Biografie. Die Erkenntnis, dass Migration den Normalfall darstellt, ist aber noch nicht fest in der Gesellschaft verankert. Geschichten von Migrant*innen, ihren Nachkommen, Schwarzen Menschen und Personen of Color werden viel zu häufig ausgeblendet.
Mit dem "Haus der Einwanderungsgesellschaft" (Arbeitstitel) entsteht in Köln ein Ort, an dem in Dauer- und Wechselausstellungen gezeigt wird, wie sich Migration in die deutsche Geschichte eingeschrieben hat und unser gesellschaftliches Zusammenleben prägt. Darüber hinaus bietet das Haus als Kultur- und Bildungsstätte Raum für Austausch und Perspektivwechsel, etwa zu Fragen um Identität, Zusammenleben und Teilhabe.
Blick in die Halle 70, einer stillgelegten Industriehalle auf dem ehemaligen Werksgelände der Klöckner-Humboldt-Deutz AG in Köln-Kalk. Foto: Wolfgang Heep/DOMiD-Archiv, Köln
Ursprünglich diente die Halle 70 als Fertigungs- und Montagehalle. Foto: Wolfgang Heep/DOMiD-Archiv, Köln
Eine Fläche von rund 10.000 Quadratmeter bietet Raum für vielfältige Nutzungen. Foto: Wolfgang Heep/DOMiD-Archiv, Köln
Die Außenfassaden der Hallen 70 (im Vordergrund) und 71 (im Hintergrund) an der Dillenburger Straße in Köln-Kalk. Foto: DOMiD-Archiv, Köln
Grafischer Entwurf wie das "Haus der Einwanderungsgesellschaft" (Arbeitstitel) nach Inbetriebnahme aussehen könnte. DOMiD wird einen Architekturwettbewerb ausschreiben, um neue Entwürfe zu entwickeln. Grafik: facts and fiction
Das Bekenntnis zur Migrationsgesellschaft: Jede Geschichte zählt!
"Als wir 1990 in einer Garage in Essen mit der Sammlung von Zeugnissen zur Einwanderung türkischer Arbeitsmigrant*innen begannen, ahnten wir nicht, dass aus der Gesellschaft heraus ein Migrationsmuseum in Deutschland entstehen würde."
(Ahmet Sezer, Gründungs- und Vorstandsmitglied von DOMiD)
Hinter dem Projekt mit dem Arbeitstitel "Haus der Einwanderungsgesellschaft" steht das Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland – kurz: DOMiD. Der gemeinnützige Verein mit Sitz in Köln wurde 1990 von Migrant*innen gegründet.
DOMiD gehört seitdem zu den Vorreitern der Musealisierung von Migration sowie der Vermittlung von Migrationsgeschichte. Dabei steht der gemeinnützige Verein für ein multiperspektivisches Geschichtsbild und setzt sich für eine inklusive Erinnerungskultur ein.
DOMiD beheimatet die bundesweit größte Sammlung von Objekten und Zeugnissen über die vielfältige Geschichte der Migration in Deutschland. Die laufende Sammlung ist aus der Zivilgesellschaft entstanden. Sie umfasst derzeit mehr als 150.000 sozial-, kultur- und alltagsgeschichtliche Zeitzeugnisse.
Das Ziel von DOMiD war es seit seiner Gründung ein Museum zu errichten, in dem Migration als Normalfall vermittelt wird. Dieser Plan steht nun vor seiner Verwirklichung. Im Jahr 2019 stellten der Bund und das Land NRW Mittel für das "Haus der Einwanderungsgesellschaft" in ihre Haushalte ein. Es wird mit einer Inbetriebnahme ab 2029 gerechnet.
Die Geschäftsstelle von DOMiD im Bezirksrathaus in Köln-Ehrenfeld. Seit 2009 sind hier Büros, Depots und Magazine des gemeinnützigen Vereins untergebracht. Foto: DOMiD-Archiv, Köln
Fotoaufnahmen von Objekten für die DOMiD-Sammlung. Foto: DOMiD-Archiv, Köln
Die DOMiD-Sammlung umfasst derzeit mehr als 150.000 sozial-, kultur- und alltagsgeschichtliche Zeitzeugnisse. Foto: DOMiD-Archiv, Köln
Besucher*in der Geschäfsstelle bei einer Vitrinenausstellung mit Objekten aus der DOMiD-Sammlung. Foto: DOMiD-Archiv, Köln
Kassetten in einem der DOMiD Depots; im Hintergrund der Leuchtturm in Köln-Ehrenfeld. Foto: DOMiD-Archiv, Köln
Die DOMiD-Bibliothek mit Arbeitsplätzen für Archivrecherchen. Foto: DOMiD-Archiv, Köln
Claudia Roth, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien: "Deutschland ist ein Einwanderungsland. Und doch finden die Perspektiven von Eingewanderten und ihren Nachkommen bis heute im deutschen Diskurs wie in unserer Geschichtsschreibung kaum Platz. Mit dem „Haus der Einwanderungsgesellschaft“ wird nun ein Ort geschaffen, an dem diese Geschichte gewürdigt und erzählt wird. Ich freue mich auf diesen neuen Lernort, der die Vielfalt unserer Gesellschaft abbilden möchte."
Hortensia Völckers, Ehemalige künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes: "Das ‚Haus der Einwanderungsgesellschaft‘ wird kein Museum herkömmlichen Stils werden. Die Kulturstiftung des Bundes setzt sich mit ihrer Förderung von DOMiD und den DOMiDLabs dafür ein, dass migrantische Perspektiven und Interessen schon in der Entwicklung des Konzepts eine ausschlaggebende Rolle spielen. Der Leitgedanke der Partizipation wird das Migrationsmuseum zu einer Kultureinrichtung neuen Typs machen."
Reem Alabali-Radovan, Bundesintegrationsbeauftragte: "Eingewanderte und ihre Nachkommen haben dieses Land mit aufgebaut und nachhaltig geprägt. Umso wichtiger, dass unser Land mit dem Haus der Einwanderungsgesellschaft einen symbolischen Ort erhält, in dem wir vieles über unsere Geschichte erfahren können. Ich unterstütze das mit vollem Herzen. Wir brauchen die Perspektiven von allen Menschen in Deutschland, um unsere Geschichte zu verstehen und zusammenzuhalten."
Prof. Dr. Rita Süßmuth, Bundestagspräsidentin a.D. / Schirmherrin "Haus der Einwanderungsgesellschaft": "Deutschland ist de facto ein Einwanderungsland. Migration und gesellschaftliche Vielfalt werden auch in Zukunft die Bundesrepublik prägen. Dass wir in großer Zahl Geflüchtete aufnehmen, ist nicht in allen Teilen der Bevölkerung konsensfähig verankert. Die Ereignisse im Jahr 2015 haben auch Verunsicherung und Ängste bei Vielen ausgelöst. Köln ist ein hervorragendes Beispiel für gelungene Integration und Zusammenleben. Zusammenhalt entsteht durch gemeinsame Arbeit und gemeinsames Leben. Das „Haus der Einwanderungsgesellschaft“ wird hierzu einen wichtigen Beitrag leisten."
Bassam Ghazi, Regisseur und Künstlerischer Leiter des Stadt:Kollektiv am Düsseldorfer Schauspielhaus: "Was war zuerst da? Du oder deine Geschichte? Endlich ist es so weit … unser Haus der Einwanderungsgesellschaft, in dem wir in Zukunft mit unseren Kindern durch die Räume schreiten können und dabei bildhaft die Geschichte unserer Eltern und Großeltern erzählen können."
Christiane Benner, Erste Vorsitzende IG Metall: "Endlich ist es soweit und „das Haus der Einwanderungsgesellschaft“ wird gebaut! Mit mehr als 500.000 Mitgliedern mit Migrationshintergrund in der IG Metall liegt es uns sehr am Herzen, die Geschichte aller hier Lebenden und Arbeitenden zu erzählen und sichtbar zu machen. Wir unterstützen seit Jahren die Forderung nach einem eigenständigen Museum für Migrationsgeschichte."
Dr. Mark Terkessidis, Migrationsforscher und Autor: "Es gibt Museen für Besteck und für Schokolade, für Sport und für Kunstgewerbe. Bei den Untersechsjährigen in den Städten der alten Bundesländern sind die Kinder mit Migrationshintergrund durchweg in der Mehrheit: Muss man eigentlich noch begründen, warum es ein Museum für Migration geben sollte?"
Serap Güler, MdB (CDU): "Wir sind ein Einwanderungsland! Bei uns haben so viele Menschen aus anderen Ländern eine neue Heimat gefunden. Es wird allerhöchste Zeit, dass diese Geschichte der Einwanderung entsprechend gewürdigt, sichtbar gemacht und erzählt wird: Mit einem Migrationsmuseum."
Dr. Rolf Mützenich, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion: "Migration hat nicht nur Geschichte in Deutschland, sondern gehört zu den dringenden Fragen unserer Zeit. Ich habe mich für das „Haus der Einwanderungsgesellschaft“ eingesetzt, um einen Ort der Erinnerungskultur und des lebendigen Austausches zu Fragen der Migration zu ermöglichen."
Can Candan, Filmemacher / Regisseur und Produzent von Duvarlar - Walls - Mauern: "Die Finanzierung des “Hauses der Einwanderungsgesellschaft” ist eine großartige Gelegenheit, um Deutschland als ein Land mit einer reichen Migrationsgeschichte anzuerkennen sowie die Beiträge, die Migrant*innen mit ihren Geschichten und Erfahrungen der Vergangenheit, den gegenwärtigen Diskussionen und Vorstellungen für die Zukunft geleistet haben, zu würdigen."
İbrahim Arslan, Aktivist und Überlebender der rassistischen Brandanschläge in Mölln 1992: "Das migrantisch situierte Wissen, wurde schon seit Jahrzehnten nicht beachtet, obwohl es immer wieder eine Expertise zu Rassismus war und ist. Nun hat dieses Wissen ein Museum."
Gabriele Hammelrath, Ehemalige MdL NRW (SPD): "Meine allerherzlichsten Glückwünsche zu diesem großartigen Erfolg. Dazu meine große Anerkennung für die intensive Arbeit und das unermüdliche Engagement – denn nur so ist dieser wichtige Schritt auf dem Weg zum Migrationsmuseum zustande gekommen. Für die nächsten Schritte sage ich Euch selbstverständlich meine Unterstützung zu."
Prof. Dr. Karim Fereidooni, Professor für Didaktik der sozialwissenschaftlichen Bildung an der Ruhr-Universität Bochum; Rassismusforscher: "Deutschland ist eine Migrationsgesellschaft. Eine Gesellschaft, die geprägt ist durch Migration, muss die Errungenschaften, die dadurch entstanden sind, würdigen. Ein Migrationsmuseum ist ein wichtiger Schritt, um das kulturelle Gedächtnis unserer diversen Gesellschaft darstellen zu können."
Samy Charchira, Dipl.-Sozialpädagoge: "Wenn wir als Gesellschaft unsere Zukunft gestalten möchten, dann können wir unsere Gegenwart nicht verleugnen. Das Einwanderungsland Deutschland braucht zwingend ein Migrationsmuseum. Das gebietet schon die historische Wahrheit."
Ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zum bundesweiten Migrationsmuseum: Das Ausschreibungsverfahren für Architektur, Hochbau und Ausstellungsgestaltung ist gestartet. In den kommenden Monaten entscheidet sich, wie das Museum aussehen wird.