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Zeitleiste 1970er Jahre.

Motivserie "Migrationsgeschichte in Bildern"

Die unsichtbaren Versorgerinnen – Arbeitsmigration von Frauen in Deutschland

Arbeitsmigration ist kein männliches Phänomen. 1973 machten Arbeiterinnen beispielsweise 30 % der Gesamtzahl ausländischer Arbeitskräfte in Deutschland aus. Frauen gingen häufig nach Deutschland, um ihre Familien finanziell zu unterstützen. Ein anderer Beweggrund war die Möglichkeit, ihre traditionelle (Frauen-)Rolle zu Hause in einer anderen Umgebung neu auszuhandeln. Auch Abenteuerlust war einer der vielzähligen Gründe für den Aufbruch in ein anderes Land.

Arbeitsmarkt und Frauenrolle wandeln sich

Die schon seit den 1950er Jahren in Deutschland tätigen Arbeitsmigrantinnen gehörten zu den Pionierinnen in der Koordination von Haushalt, Familie und Beruf. In der Bundesrepublik war das Frauenbild in den 1950er und 1960er Jahren stark von patriarchalen Vorstellungen im Sinne einer Hausfrau- und Mutterrolle geprägt. Erst Anfang der 1970er Jahre nahm die Erwerbstätigkeit von deutschen Frauen merklich zu. Dies lag zum einen an der Emanzipationsbewegung, zum anderen war der Bedarf an Arbeitskräften sehr hoch und konnte nicht langfristig nur von der männlichen Bevölkerung abgedeckt werden.

Foto: Guenay Ulutuncok/DOMiD-Archiv, Köln

Blick in einen Hinterhof mit Wäscheleinen. Aus einer Reihe über die Weidengasse und den Eigelstein in Köln.
Foto: Guenay Ulutuncok/DOMiD-Archiv, Köln

Moroccan women are waving goodbye at the airport in Casablanca before their departure to Germany. Casablanca, 1971. Foto: Hans-Joachim Weber/DOMiD-Archiv, Köln

Arbeitsmigrantinnen aus Marokko nehmen auf dem Flugplatz von Casablanca Abschied vor ihrer Abreise nach Deutschland. Casablanca, 1971.
Foto: Hans-Joachim Weber/DOMiD-Archiv, Köln

Gesundheit, Pflege, Industrie: Arbeitsmigrantinnen in verschiedenen Sektoren

In West- und Ostdeutschland arbeiteten viele Migrantinnen in der Industrie. Sie wurden oft gezielt für den Niedriglohnbereich angeworben, z.B. für feinmechanische Detailarbeit in der Elektrotechnik. Ein weiterer wichtiger Sektor weiblicher Arbeitsmigration bildete seit den 1950er Jahren das Pflege- und Gesundheitswesen. Damit das deutsche Gesundheitswesen trotz Arbeitskräftemangel weiter reibungslos funktionieren konnte, wurde – damals wie heute – Pflegepersonal aus dem Ausland rekrutiert.

Koreanische Krankenschwestern – zwischen Hochachtung, Überqualifizierung und Ausgrenzung

Von den späten 1950er Jahren bis Ende der 1970er Jahre kamen neben indischen und philippinischen Pflegekräften über 11.000 koreanische Krankenschwestern in die Bundesrepublik. In zeitgenössischen deutschen Medien wurden sie meist wertschätzend beschrieben. Ihre Wahrnehmung und Darstellung zeigte allerdings ebenso deutliche Spuren einer rassistischen Exotisierung. Auch in ihrem Arbeitsalltag stießen sie oft auf Vorurteile und Stereotypisierungen.

Anders als in Korea wurde in Deutschland in Ausbildung, Tätigkeit und Bezahlung nicht zwischen sogenannten „Hilfsschwestern“ und besser ausgebildeten „Krankenschwestern“ unterschieden. Dadurch stachen auf der einen Seite die koreanischen Krankenschwestern gegenüber ihren deutschen Kolleginnen als die besser qualifizierten Fachkräfte heraus und waren bei den Patient*innen und Ärzt*innen besonders beliebt. Auf der anderen Seite sahen sich die koreanischen Krankenschwestern jedoch plötzlich mit Tätigkeiten konfrontiert, die sonst nicht zu ihrem Aufgabenspektrum als Krankenschwester gehörten, wie z.B. das Waschen der Patient*innen. Der koreanische Qualifikationsvorsprung führte zudem oft zu Neid und Konkurrenzdenken bei den deutschen Krankenschwestern – und damit für die Koreanerinnen zu sozialer Ausgrenzung am Arbeitsplatz.

Fast 30% der Koreanerinnen, die als Krankenschwestern nach Deutschland kamen, blieben hier. Von den übrigen 70% zogen ein Drittel nach Nordamerika, auf der Suche nach besseren Arbeitsmöglichkeiten – der Rest kehrte nach Südkorea zurück. Dort entstand auf der Insel Namhaedo ein „deutsches Dorf“, in welchem sich einige Zurückkehrende aus Deutschland ansiedelten.

Dieses und alle weiteren Motive aus unserer Serie "Migrationsgeschichte in Bildern" gibt es als Postkarten bei uns in der DOMiD-Geschäftsstelle. Gerne könnt ihr diese abholen oder auch bestellen unter: presse@domid.org. Wir schicken gerne ein Set kostenfrei zu. In unserem Jubiläumsjahr 2020 (30 Jahre DOMiD) entstehen insgesamt zwölf Motive mit Geschichten aus unserer Sammlung. Update: Leider vergriffen!

DOMiD hat sich darum bemüht, alle Rechteinhaber*innen an den Motiven ausfindig zu machen und zu kontaktieren. Sollte dies in einem Fall nicht gelungen sein, bitten wir mögliche Rechteinhaber*innen, sich mit uns in Verbindung zu setzen.

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